Krankenkassengebäude in Kiel
Im Programm für das Krankenkassengebäude waren die folgenden räumlichen Forderungen gestellt: Im Untergeschoss medizinische Bäder aller Art, im Erdgeschoss Kassenräume, im ersten Obergeschoss
Räume für den Vertrauensarzt und Lichtbehandlung, im zweiten Obergeschoss drei Dienstwohnungen, im Dachgeschoss Liegehalle und Aktenräume.
Die sehr verschiedenartigen Raumansprüche in den einzelnen Stockwerken ließen sich nur so befriedigen, dass die raumabschließenden Wände von der Tragkonstruktion völlig getrennt wurden. Außer den
Umfassungs- und Treppenhauswänden befinden sich im Innern des Gebäudes keinerlei tragende Mauern; die Deckenlasten werden auf zwei parallele Längsunterzüge übertragen, die auf je drei, durch alle
Stockwerke durchgehende Eisenstützen gelagert sind. Die massiven Decken sind so konstruiert, dass sie an allen Stellen Trennungswände in beliebiger Zahl und Form aufnehmen können. Die Abstände
der Fensterachsen wurden mit 1,36 m so klein gehalten, dass für die verschiedensten Raumbedürfnisse leicht geeignete Breitenmaße gewonnen werden können; der zweifenstrige Baum hat etwa 2,70 m,
der dreifenstrige etwa 4 m, der vierfenstrige etwa 5,40 m Breite.
Die Fassaden sind mit Oldenburger Klinkern verblendet. Die waagrechten Fugen leuchten hell aus dem dunklen Steinmaterial, während die senkrechten steinfarbig getönt sind; dadurch konnte die
bescheidene architektonische Gliederung an Stürzen, Gesimsen, Füllungen und dergleichen reizvoller gestaltet werden. Architektonisch betont sind lediglich die beiden Hauseingänge. Die Türen
liegen in abgetreppten Nischen, sodass vor der Tür ein abgedeckter Raum entsteht. Die waagrechten Klinker dieser Türvorbauten sind feuervergoldet, passend zu den Türzargen und Beschlägen aus
blanker Bronze; die Haustüren selbst sind aus aluminiumfurniertem Sperrholz.
Die Innenausstattung ist hinsichtlich der verwendeten Baustoffe dem jeweiligen Gebrauchszweck aufs Genauste angepasst. So wurden z. B. folgende Fußbodenbeläge verwendet: Klinkerpflaster für die
Eingänge, Kunststein für Treppenstufen und Podeste, Fliesen für die Badezellen, Korkboden für die davorliegenden Auskleidezellen und Massageräume, Gummiplatten für den stark begangenen
Kassenraum, Linoleum verschiedenster Stärke für alle Büros, die ärztlichen Untersuchungs- und Behandlungsräume sowie die Wohnungen, in denen jedoch die Küchen und Bäder Terrazzoböden
erhielten. Ähnlich verschieden ist die Wandausbildung und Bekleidung: Glasierte Steine und Platten für die Bäder, weißlackierte Sperrholzwände für Auskleidezellen und Höhensonnenkojen,
Metallfliesen für Aborte, hinter Waschtischen und dergleichen Öl- und Leimfarbenanstriche und Tapeten für Büro-, Warte- und Wohnräume.
Der Hauptkassenraum mit seiner umfangreichen Schalteranlage wurde würdig ausgestattet, ohne dass irgendwie über das Zweckentsprechende hinausgegangen wurde (siehe Abbildung). Hier liegt in
grüngrauen Tönen der schalldämpfende Gummiboden, der Schalterunterbau ist nach der Publikumseite mit grünen keramischen Platten, abgesetzt mit grauen Dreiecksleisten, bekleidet, während
büroseitig Kartothekschränke eingebaut sind. Die Plattenbekleidung ist an den freistehenden Stützen hochgezogen, wo sie durch eine Opalglasbeleuchtung abgeschlossen wird. Die Schalter selbst
bestehen aus etwas über mannshochreichenden Spiegelglasscheiben, in poliertem gelbbraunen Teakholz gefasst, aus denen eine Durchreicheöffnung ausgeschliffen ist. Der Sprechverkehr wickelt sich
mühelos und hygienisch ab, was in Anbetracht der zahlreichen Kranken für die Beamten von höchster Wichtigkeit ist. Dem Zweck entsprechend ist eine umfangreiche mit der Wasserheizungsanlage
verbundene Warmwasserbereitung angelegt worden; an die außer den medizinischen Bädern zahlreiche Waschtische angeschlossen sind; auch der Warmwasserbedarf der Dienstwohnungen wird von dieser
zentralen Anlage gedeckt, während die Beheizung der Wohnungen durch Narag-Einzelheizungen erfolgt. Auch die elektrische Anlage ist verhältnismäßig umfangreich, da außer der Beleuchtungsanlage
Motoren in der Waschküche und die Röntgen - und Höhensonnenapparate zu beliefern sind.
Der Rohbau wurde in knapp zwei Monaten im Spätherbst 1928 fertiggestellt, sodass trotz des ungewöhnlich strengen Winters der Bau ständig weitergefordert werden konnte. Die Inbetriebnahme erfolgte
Anfang Juli 1929.
H. Seeger
Deutsche Bauzeitung 1930, 64. Jahrgang, Nr. 85/86